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VR
MEDICUS
GESUNDHEITSPOLITIK.
Bis Ende Juni 2013 hatten die Kassenärztlichen Vereinigun-
gen (KVen) und die regionalen Krankenkassen Zeit, die neue
Bedarfsplanungsrichtlinie umzusetzen. Der neue Bedarfsplan
für Westfalen-Lippe schuf insgesamt 176 zusätzliche Nieder-
lassungsmöglichkeiten für Haus- und Fachärzte sowie Psy-
chotherapeuten – meist in ländlichen Gebieten. Neben 102
neuen Hausarztsitzen wurde insbesondere die psychothera-
peutische Versorgung mit zusätzlichen 44 Sitzen gestärkt.
Nach Auskunft der KV Westfalen-Lippe waren trotz der neu-
en Niederlassungsmöglichkeiten bereits im November 2011
bis auf wenige Ausnahmen nahezu alle Planungsbereiche bei
allen Facharztgruppen überversorgt. Anders fiel die Lage je-
doch bei den Hausärzten aus. Hier verzeichnete die KV Ende
November 2013 insgesamt 319 offene Zulassungen/Anstel-
lungen bis zum Eintreten der Überversorgung. Die aktuellen
Beschlüsse des Landesausschusses zeigen, dass sich seitdem
die Lage bei der hausärztlichen Versorgung nur leicht gebes-
sert hat (vgl. Abbildung). So bleiben gegenwärtig in vielen
Bereits Ende Dezember 2012 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Reform der rund 20
Jahre alten Bedarfsplanung beschlossen. Ziel war es, über eine flexiblere Gestaltung der Bedarfsplanung
besser auf die regionalen Bedürfnisse einzugehen und eine bedarfsgerechtere Verteilung von Ärzten zu
erreichen. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass die neue Bedarfsplanung einige Schwächen aufweist.
Mittelbereichen freie Hausarztsitze unbesetzt. Betroffen sind
unter anderem Ibbenbühren/Neunkirchen. Hier bestehen
offene Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte, nicht je-
doch für Fachärzte im Bereich der allgemeinen fachärztlichen
Versorgung. In Steinfurt, Lengerich und Emsdetten sind alle
Planungsbereiche sowohl für die allgemeine fach- als auch
für die hausärztliche Versorgung gesperrt. Auch die Raum-
ordnungsregion Münster ist im Bereich der spezialisierten
fachärztlichen Versorgung komplett überversorgt.
Die Entwicklung lässt vermuten, dass mit der neuen Bedarfs-
planung offenbar nicht alle Versorgungsprobleme ausge-
räumt werden können. Bestätigt wird dies auch durch eine
Untersuchung des IGES-Instituts anlässlich einer Stellungnah-
me für den nordrhein-westfälischen Landtag. Das Institut
hatte rund ein Jahr nach Umsetzung der neuen Richtlinie für
Nordrhein-Westfalen (NRW) Bilanz gezogen und festgestellt,
dass das GKV-Versorgungsstrukturgesetz und die Neufas-
sung der Bedarfsplanungsrichtlinie zwar tendenziell zu einer
bedarfsorientierteren Ausrichtung der Kapazitätsplanung
der ambulanten Versorgung führen, jedoch keine Garantie
für eine am tatsächlichen regionalen Bedarf ausgerichtete
Verteilung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten bieten.
Als positiv werteten die Autoren den neuen Demografie-Fak-
tor (zur Berücksichtigung des Einflusses der regionalen Un-
terschiede in der Altersstruktur der Bevölkerung auf den
Versorgungsbedarf) sowie die Möglichkeit, zur Berücksich-
tigung regionaler Besonderheiten von den Bundesvorgaben
abzuweichen. Sie fordern jedoch, in die Ermittlung des Ver-
sorgungsbedarfs grundsätzlich Indikatoren einzubeziehen,
die die Bevölkerungsstruktur und -entwicklung abbilden und
auch morbiditätsbezogene sowie sozioökonomische Kenn-
zeichen der Bevölkerung in den einzelnen Regionen berück-
sichtigen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die
Bedarfsplanung „bestehende Defizite in den regionalen An-
gebotsstrukturen“ fortschreibt.
Im Rahmen einer bundesweiten Studie des IGES-Instituts
im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung („Faktencheck – Ge-
sundheit“) haben die Experten auf Basis eines speziell ent-
wickelten Bedarfsindexes nach obigen Kriterien die neuen
Bedarfspläne in den Bundesländern für Haus-, Kinder-, Frauen-
Neue Bedarfsplanung in NRW – eine Zwischenbilanz
Neugliederung der Fachgruppen und Planungsbereiche
in Westfalen-Lippe seit 1. Juli 2013
Gesonderte fachärztliche
Versorgung
Fachärzte für Physik.-Rehab. Medizin,
Humangenetiker*, Laborärzte*, Neurochi-
rurgen, Nuklearmediziner, Pathologen*,
Strahlentherapeuten, Transfusionsmediziner
1
KV-Region
*
FürArztgruppen, die keinen direkten Kontakt zum
Patienten haben, wird aufgrund ihrer meist überregionalen
Inanspruchnahme geprüft, ob eine landesweite Bedarfspla-
nung für ganz NRW umgesetzt werden kann.Bundesweit
eine einheitlicheVerhältniszahl für jedeArztgruppe
Spezialisierte fachärztliche
Versorgung
Anästhesisten, Facharztinternisten, Kinder-
und Jugendpsychiater, Radiologen
8
Raumordnungsregionen (bestehend
aus mehreren Kreisen)
Bundesweit eine einheitliche Verhältniszahl
für jede Arztgruppe
Allgemeine fachärztliche
Versorgung
Augenärzte, Chirurgen, Gynäkologen, Dermato-
logen, HNO-Ärzte, Kinderärzte , Nervenärzte,
Orthopäden, Urologen, Psychotherapeuten
Westfalen-Lippe: 27 Kreisfreie Städte,
Landkreise oder Kreisregionen
Für jede Arztgruppe gibt es je nach Mitversor-
gungstyp fünf verschiedene Verhältniszahlen
Hausärztliche Versorgung
Allgemeinmediziner, Hausärztliche Internisten
Westfalen-Lippe: 111 Mittelbereiche (Bund 883)
Bundesweit eine einheitliche Verhältniszahl
(1.671
Einwohner pro Hausarzt)
Quelle: GBA, KVWL