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VR
MEDICUS
GESUNDHEITSPOLITIK.
Noch bis vor Kurzem stand hinter der Zukunft der Hausarzt-
zentrierten Versorgung (HzV) ein großes Fragezeichen. Nach-
dem Ende des vergangenen Jahres im Koalitionsvertrag expli-
zit eine Förderung des Versorgungsmodells festgeschrieben
wurde, hat der neue Bundesgesundheitsminister im Eiltempo
einen Gesetzesentwurf unter anderem mit den entsprechen-
den Änderungen des § 73b SGB V erarbeitet, der nach der
Zustimmung des Bundestages Mitte März auch den Bundes-
rat passierte.
Damit sind seit dem ersten April die Weichen gestellt für den
Start der neuen HzV. Das 14. Gesetz zur Änderung des Sozial-
gesetzbuches (SGB) V, das in erster Linie die Arzneimittelver-
sorgung (unter anderem Verlängerung des Preismoratoriums
und Abschaffung des Bestandsmarktaufrufs) betrifft, sieht
für die Hausarztverträge folgende Bestimmungen vor:
Fortbestand der HzV-Pflicht:
Die gesetzliche Verpflichtung
der Kassen zum Angebot der Hausarztzentrierten Versor-
gung wird beibehalten.
Streichung der Refinanzierungsklausel (§ 73b Abs. 5a SGB V):
Seit 2010 mussten die Vertragspartner bereits beim Ab-
schluss eines neuen Vertrages nachweisen, dass keine Mehr-
ausgaben durch HzV-Modelle entstehen. Auch die durch-
schnittliche Vergütung der teilnehmenden Hausärzte durfte
den durchschnittlichen KV-Fallwert nicht überschreiten. War
dies der Fall, mussten die Überschreitungen an anderer Stelle
wieder eingespart werden. Diese Vergütungsbeschränkung
für HzV-Verträge wurde zum ersten April 2014 aufgehoben.
Verpflichtende Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Maß-
nahmen für die Nichteinhaltung:
Die Vertragspartner
sind verpflichtet, Kriterien für die Wirtschaftlichkeit des
HzV-Vertrages zu vereinbaren. Daneben sind Maßnahmen
zu beschließen, die dann zu ergreifen sind, wenn die Wirt-
schaftlichkeitsziele nicht erreicht werden.
Neue Regelungen zur Qualitätssicherung:
HzV-Verträge
haben künftig Regelungen zur Qualitätssicherung zu ent-
halten, die über die allgemeine hausärztliche Qualitätssiche-
rung hinausgehen.
Einbeziehung der strukturierten Behandlungsprogramme:
Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme (§§ 137f
und 137g) sind künftig Bestandteil des Hausarztzentrierten
Versorgungsangebots, sofern sie die hausärztliche Versor-
gung betreffen.
Weg frei für die Hausarztzentrierte Versorgung
Der neue Gesundheitsminister „drückt aufs Tempo“. Innerhalb kurzer Zeit hat er mithilfe des 14. SGB-Änderungs-
gesetzes die Hindernisse für die Hausarztzentrierte Versorgung aus dem Weg geschafft. Dies ist besonders für die
großen Vollversorgungsverträge und die teilnehmenden Mediziner von essenzieller Bedeutung.
Mit der Aufhebung der strikten ökonomischen Beschränkun-
gen und des sofortigen Wirtschaftlichkeitsnachweises haben
sich mit dem neuen Gesetz die langjährigen Forderungen
der Befürworter der HzV erfüllt. Da sich in der Praxis zeigte,
dass sich neue Verträge erst nach einer gewissen Anlaufzeit
amortisieren“ können, bezeichnete auch der Sachverständi-
genrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheits-
wesen in einem Sondergutachten den Nachweis von Kosten-
einsparungen schon bei Abschluss der Selektivverträge als re-
alitätsfern und innovationshemmend und sprach sich für eine
Aufhebung der entsprechenden Regelung aus. Das neue Ge-
setz kam für einige der älteren HzV-Verträge buchstäblich in
letzter Minute, da der für sie geltende Bestandsschutz nach
der Regelung des GKV-Finanzierungsgesetzes Ende Juni 2014
ausgelaufen wäre.
Insgesamt verzeichnen die HzV-Verträge, die zu Beginn er-
hebliche Startschwierigkeiten hatten, einen steigenden Zu-
spruch unter Ärzten und Patienten (vergleiche Abbildung).
Hierbei sind insbesondere die großen Vollversorgungsverträ-
ge mit der AOK in Bayern und Baden-Württemberg hervor-
zuheben. Je nach Vertrag können sich hierbei zum Teil deut-
liche Honorarverbesserungen für die Hausärzte ergeben. Im
Gegenzug werden jedoch oft bestimmte Standards bei der
Praxisausstattung, besondere Serviceleistungen für Patienten
(
zum Beispiel erweiterte Sprechstundenzeiten), eine regelmä-
ßige spezielle Fortbildung sowie definierte Maßnahmen zur
Qualitätssicherung gefordert.
Eckpunkte der Hausarztzentrierten
Versorgung in Deutschland
Eingeschriebene Versicherte
3,3
Millionen Versicherte
Teilnehmende Hausärzte
16.000
Hausärzte
Honorarvolumen
750
Millionen € (2013)
Schwerpunkte
Regionale Schwerpunkte:
Baden-Württemberg und Bayern
Inhaltlicher Schwerpunkt: chronisch kranke
Patienten (60% der eingeschriebenen
Patienten)
Quelle: Deutscher Hausärzteverband; aerztezeitung.de
Entschärfter Wirtschaftlichkeitsnachweis:
Der Wirtschaftlich-
keitsnachweis (Vergleich mit der kollektivvertraglichen Ver-
sorgung) muss künftig erst nach einer Frist von vier Jahren
erfolgen.